Die Nachkriegsordnung: Der Freiburger Einfluss

Bei Kriegsende im Frühjahr 1945 war die wirtschaftliche Infrastruktur Deutschlands weitgehend zerstört. Die Versorgungslage war so schlecht, dass die Mehrheit der Bevölkerung hungerte. Für Geld war kaum etwas im Laden zu kaufen. Man brauchte oft Zigaretten oder andere Tauschgüter, um auf dem Schwarzmarkt oder bei den Bauern das Nötigste zu bekommen.

Eucken und seine Freiburger Mitstreiter wussten, dass die von den Besatzungsmächten fortgeführte Planwirtschaft der Nationalsozialisten die wirtschaftliche Lage nicht bessern würde. Sie plädierten stattdessen für die Umsetzung ihres ordnungspolitischen Konzepts einer Wettbewerbsordnung in die politische Praxis:
Die wirtschaftliche Aktivität solle über das Preissystem koordiniert werden, wobei sieben „konstituierende Prinzipien“ zu gewährleisten seien:

• Ein funktionsfähiges Preissystem

• Stabile Währung

• Offene Märkte

• Privateigentum

• Vertragsfreiheit

• Haftung der wirtschaftlichen Akteure

• Längerfristig konstante wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

 

Aktive Einflussnahme:

Für dieses ordoliberale Konzept setzte sich Eucken ein: Zunächst in wirtschaftlichen Gutachten für die Militärregierung, später als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des bizonalen Verwaltungsamts für Wirtschaft und ab 1948 im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministeriums.
Euckens Schüler Leonhard Miksch wirkte als enger Mitarbeiter Ludwig Erhards bei der Formulierung des „Leitsätzegesetzes“ mit, durch das im Sommer 1948 die Freigabe der Preise und die Währungsreform erfolgte. Mit der Einführung der D-Mark besserte sich die Versorgungslage in Deutschland spürbar.

 

Euckens juristischer Mitstreiter Franz Böhm setzte sich als Berater der Westalliierten für die Entflechtung von Industriekartellen in der deutschen Wirtschaft ein. Zudem machte er sich stark für die Erarbeitung einer Kartellgesetzgebung, die einer Beschränkung des Wettbewerbs wirksam Einhalt gebieten konnte. Erst einige Jahre nachdem Eucken 1950 unerwartet früh im Alter von 59 Jahren verstorben war, wurde 1957 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verabschiedet. Darin hatten grundlegende wettbewerbspolitische Ideen der Freiburger Schule Eingang gefunden.

 

Europäisches Wettbewerbsrecht:

Freiburger Ideen prägten dadurch die europäische Wirtschaftspolitik. Bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) übernahm Deutschland eine Führungsrolle in der Gestaltung des EU-Wettbewerbsrechts. Zentrale wettbewerbspolitische Elemente, wie das Kartellverbot oder das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung wurden Bestandteil der Römischen Verträge von 1957. (siehe Stele 7)

Leonhard Miksch und das „Leitsätzegesetz“ von 1948

 

Leonhard Miksch, Schüler und Wegbegleiter von Walter Eucken, verfasste zum großen Teil das sogenannte „Leitsätzegesetz“, mit dem Erhard parallel zur Währungsumstellung und ohne Wissen der Besatzungsmächte die Preiskontrollen aufhebt und eine freie Wettbewerbsordnung erst ermöglicht.

 

Auszug aus dem Tagebuch von Leonhard Miksch

Tagebucheintrag 26.5.1948

„Im Auftrage von Erhard habe ich die Grundsätze der deutschen Preispolitik im weitesten Sinne in einer Reihe von Thesen zusammengefasst. […] Erhard sagte, meine Thesen entsprächen völlig seiner Auffassung. Sie sind für die Militärregierung bestimmt. Ich erhielt den Auftrag, sie jetzt in eine Form zu gießen, in der sie dem Wirtschaftsrat vorgelegt werden können … .“

 

Tagebucheintrag 24.5.1948

„Habe noch gestern Nacht die preispolitischen Thesen in die Form einer Ermächtigung gebracht und eine Begründung dazu geschrieben. […] Nach der Hauptabteilungsleitersitzung: Heute war Erhard erheblich vorsichtiger, ganz auf Taktik eingeschworen, ich werde alles noch einmal umarbeiten müssen, damit die Ignoranten im Wirtschaftsrat glauben, wir wollten nichts anderes als die Verlängerung der Planwirtschaft.“

 

Tagebucheintrag 31.5.1948

„Zuletzt nach vielem hin und her, hat Kaufmann die Richtlinien selbst formuliert, auf Grund meiner Entwürfe. Sehr verwaschen, aber das Verwaschene ist das Richtige. Dagegen soll die von mir ausgearbeitete Präambel vor das Ermächtigungsgesetz.“

Das „Leitsätzegesetz“ 24.6.1948

Präambel: »Das aus der Vergangenheit stammende, kaum noch wirksame Zwangssystem kann daher, insbesondere unter Berücksichtigung des anlaufenden Marshallplanes, aufgelockert, der Markt stärker zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit in Erzeugung und Verteilung eingesetzt werden.«



                                Faksimiles von Euckens Aufschrieben.